Sonntag, 28. April 2013

Domenica heißt Sonntag und ist den Sizilianern heilig

Nach dem ersten Schock gestern wollte ich heute selbst aktiv werden und meinen Personalausweis wieder zurückholen. Um 8:40 Uhr wäre ein Bus nach Caltanissetta gegangen, aber dann hätte ich kein Frühstück bekommen und hätte auch nicht klären können, wo ich Fahrrad und Gepäck in der Zwischenzeit abstellen kann. Also habe ich erst mal gut gefrühstückt, diesmal von einer Dame bedient, die in Deutschland geboren wurde und vor einigen Jahren nach Sizilien zurückkam. Sie sprach natürlich perfektes Deutsch, das hat einiges einfacher gemacht.
Zuerst fragte ich mal beim Taxifahrer, was die 75 km hin und zurück kosten würden. 200 Euro war mir der Perso aber dann doch nicht wert. Um 11:40 Uhr ging der nächste Bus , das war eindeutig zu lang. Also versuchte ich mal mit Trampen mein Glück, ging zur richtigen Ausfallstrasse , aber keiner wollte mich mitnehmen. Dabei haben die noch gar nicht gehört, dass ich kein Italienisch verstehe, und frisch rasiert war ich auch. Früher war alles leichter, da war ich oft schneller mit dem Trampen von München nach Frankfurt unterwegs als mit dem Zug.
Also gab ich es dann irgendwann auf und schlenderte über einen Markt langsam Richtung Bus-Terminal. Dabei sah ich noch den Pfarrer mit seinen Meßdienern in weißen Kutten in die vollbesetzte Kirche einmarschieren. In der Bar war der Ticket-Verkauf; ja, erst mit dem Bus nach Caltanissetta, und dann von dort nach Piazza Armerina, und zurück dasselbe umgekehrt. Beim Warten kam ich noch mit 2 jungen und sehr netten Pakistani ins Gespräch, die in Caltanissetta in einem Auffanglager für Flüchtlinge untergekommen sind, mittlerweile aber reisen dürfen. Sie suchten in Canicatti Arbeit und fuhren wegen mangelnden Erfolges wieder zurück. Der Bus war pünktlich, 3,60 Euro für etwa 30 km war auch ok, und nach einer knappen halben Stunde stieg ich in Caltanissetta aus. Bus nach Piazza Armerina, nein, den gibt es heute nicht, heute ist domenica, Sonntag also. Es war nichts zu machen, kein Bus, kein Zug, kein Privatwagen, der mich hätte mitnehmen können, Sonntags fährt man nicht in die andern Städte, da geht man auf dem Markt, in die Kirche oder promeniert in der eigenen Stadt. Wann denn der nächste Bus zurück nach Canicatti ginge? Um 2 Uhr, es war erst kurz nach 12 Uhr! Also schlenderte ich durch Caltanissetta mit ein paar hübschen Strassen und Fassaden, aber auf der andern Seite auch irgendwie bedrohlich. Bis auf ein paar Italiener, die aus der Kirche kamen, lungerten überall Asylsuchende meist dunkler Hautfarbe herum , teilweise in größeren Gruppen. Die Italiener beachteten sie gar nicht, aber ich hielt meine Tasche mit Photo und Garmin fester. Italien wird von der EU hier ziemlich alleine gelassen, denn das erste Land, und das ist Italien, in dem Asylantrag gestellt wird, darf die Antragsteller nicht in andere EU-Staaten weiterschieben, sondern muss sich selbst darum kümmern. Sizilien und insbesondere Caltanissetta liegen dabei auf Grund der geographischen Lage an vorderster Front. Eine halbe Stunde vor der Abfahrt saß ich wieder am Bus-Terminal, der Bus sollte jetzt um 3 Uhr abfahren. Mit mir wartend ein junges Pärchen, die auch wieder zurück wollten. Er hatte mir schon vorher etwas auf italienisch erzählt, dann saßen sie neben mir, und sie quatscht mich wegen Photographieren an. Es hat eine Weile gedauert, aber irgendwann hatte ich es kapiert. Ich könnte sie photographieren, aber das würde Geld kosten. So schön war sie auch nicht, ich bin gar nicht auf die Idee gekommen. Nach der Pleite mit dem Bus, die daher kommt, dass jeder Sizilianer nur von seinem eigenen Standpunkt bis zum nächst erreichbaren schaut, ab da aber jemand anderer zuständig ist, geriet mit dem dubiosen Pärchen mein Italienbild weiter in Schieflage.
Der Bus war schnell in Canicatti, und bei der vielen Warterei habe ich schon fast alle Kurzgeschichten von Franka Potentes Buch "Zehn" gelesen. Im B&B war natürlich niemand, also musste ich bis 17 Uhr warten, um an mein Rad und Gepäck zu kommen. Einmal war ich im Cafe, eine Stunde saß ich in einem kleinen Park vor dem Fussballplatz und hörte die Begeisterung der Italiener in Form von Trommeln und Trompeten. Dann machte ich mich schleunigst auf den Weg, mit vielen Bergab-Passagen, aber natürlich auf einigen Steigungen, insbesondere die letzte nach Agrigento hatte es in sich. In der Villa Pirandello hat der italienische Schriftsteller Luigi Pirandello seinen Sommersitz gehabt. Die Lage ist fantastisch, Blick aufs Meer, direkt an der Promeniermeile , und die Gemäuer sind beeindruckend  mit einer schönen Terrasse. Die hohen Decken und dicken Mauern sorgen im Sommer für eine um 15°C tiefere Temperatur als draußen. Nach einer Dusche mischte ich mich noch unter die vielen Spaziergänger und genoß bei Dunkelheit und lauer Temperatur den Blick auf die Lichter am Meer.
Das Hotel in Piazza Armerina hatte ich noch einmal angerufen, aber der Mann am Telefon verstand nur italienisch. Morgen wäre Massimo wieder da. Zum Glück ging dann irgendwann das Internet, und ich konnte eine Mail hinschicken, wohin sie meinen Personalausweis schicken sollten. Wenn es mit der letzten Übernachtung wieder in Palermo nicht klappt, dann muss ich den Perso eben als Verlust melden. Bin gespannt, was das dann für ein Theater gibt.
Sonntagsmarkt in Canicatti


Kirche in Caltanissetta


Caltanissetta ist Auffanglager für Asylsuchende

alle warten auf den Bus und es kommt keiner

im Park in Canicatti

ohne Auto geht es nicht in Sizilien - hier die Auffahrt nach Agrigento

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